Verspätet gestellte Anträge als Verfahrensverschleppung

Eine Ablehnung wegen Befangenheit ist nicht mehr möglich, wenn der Ablehnende im Versteigerungstermin Verfahrensanträge stellt und sich ohne Geltendmachung der Ablehnungsgründe auf die Verhandlung einlässt.

Werden Verfahrens- und Befangenheitsanträge jeweils auf Umstände gestützt, die vor der Verhandlung entstanden waren und deshalb auch schon vorab hätten geltend gemacht werden können, kann sich in einer Gesamtschau ergeben, dass die Anträge als nur der Verfahrensverschleppung dienend anzusehen und als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sind. Über solche Befangenheitsanträge kann der abgelehnte Rechtspfleger selbst entscheiden.

LG Hamburg, Beschluss vom 25.03.2014, 325 T 32/14

 

Aus den Gründen:

Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 10 RPflG, 46 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch ansonsten zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt. Die Aufnahme in das Sitzungsprotokoll als stärkste Form der Beurkundung im Zivilprozess ersetzt die im Gesetz vorgesehene Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 569 ZPO Rn. 9).

Das Rechtsmittel ist aber unbegründet.

Zu Recht hat die abgelehnte Rechtspflegerin das Ablehnungsgesuch der Schuldnerin als unzulässig behandelt.

Hinsichtlich der schriftlich mitgeteilten Gründe für das Ablehnungsgesuch ergibt sich dies schon aus § 43 ZPO. Nach dieser Vorschrift in Verbindung mit § 10 RPflG kann eine Partei einen Rechtspfleger wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Beide Gründe für das Ablehnungsgesuch, nämlich das Nichtberücksichtigen des angeblichen Mangels der Vollstreckungsklausel und der nicht ordnungsgemäße Abschluss des zweiten Gebotsverfahrens im vorherigen Versteigerungstermin, sind Vorgänge, die vor dem Versteigerungstermin vom 19.3.2014 stattfanden und die der Schuldnerin auch bekannt waren, was sich schon daran zeigt, dass die Schuldnerin einen hiermit begründeten schriftlichen Befangenheitsantrag zum Termin mitbrachte. Die Schuldnerin stellte jedoch zunächst drei andere Anträge und ließ sich damit im Sinn des § 43 ZPO auf eine Verhandlung ein, bevor sie ihr Ablehnungsgesuch verkündete.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine möglicherweise erfolgte Beendigung des zweiten Gebotsverfahrens ohne erneuten Aufruf – unabhängig davon, dass einfache Verfahrensfehler schon gar nicht geeignet sind, einen Befangenheitsantrag zu rechtfertigen, sofern sie nicht auf Willkür oder Voreingenommenheit des Richters bzw. Rechtspflegers gegenüber der abgelehnten Partei beruhen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 42 ZPO Rn. 28) – auch deshalb ungeeignet wäre, einen Befangenheitsantrag der Schuldnerin zu stützen, weil sich der Umstand, dass in dem zweiten Gebotsverfahren kein Gebot abgegeben wurde, nur zu Lasten der Gläubiger, nicht aber zu Lasten der Schuldnerin auswirken kann, die sich ja mit ihren übrigen Anträgen gegen die Zwangsversteigerung wendet.

Auch im Hinblick auf die ergänzende Begründung des Ablehnungsgesuchs, wonach die Schuldnerin nicht gehört würde, ist das Gesuch unzulässig. Das Vorbringen der Schuldnerin ist nicht geeignet, ein Ablehnungsgesuch zu begründen. Es ist schlicht nicht erkennbar, was die Schuldnerin hiermit eigentlich rügen will. Die abgelehnte Rechtspflegerin hatte im Versteigerungstermin drei Anträge der Schuldnerin entgegengenommen, diese mit den Beteiligten erörtert und anschließend erklärt, dass sie über die Anträge zusammen mit der Entscheidung über den Zuschlag in einem gesonderten Termin entscheiden werde. Weshalb dieses Vorgehen, das der Schuldnerin bereits aus dem vorherigem Versteigerungstermin bekannt war, dazu führen sollte, dass das rechtliche Gehör der Schuldnerin beschränkt wird, ist für das Beschwerdegericht nicht erkennbar und ergibt sich auch aus der schriftlichen Beschwerdebegründung vom 20.3.2014 nicht.

Letztlich ist auch die Argumentation der abgelehnten Rechtspflegerin zutreffend, dass das Ablehnungsgesuch unzulässig sei, weil es allein der Verfahrensverzögerung diene. Diesen Schluss aus dem Verhalten der Schuldnerin teilt das Beschwerdegericht. Die Schuldnerin hat sowohl im ersten Versteigerungstermin am 30.10.2013 als auch im erneuten Versteigerungstermin am 19.3.2014 eine Reihe von Verfahrensanträgen und jeweils ein schriftlich vorbereitetes Ablehnungsgesuch gestellt. Alle diese Anträge hätte die Schuldnerin, wenn sie die Absicht gehabt hätte, diese von der Rechtspflegerin ohne Zeitdruck rechtlich zutreffend bescheiden zu lassen, rechtzeitig vor dem Versteigerungstermin stellen können. Selbst das von der Schuldnerin eingeholte abweichende Verkehrswertgutachten stammt vom 24.1.2014 und war damit fast zwei Monate vor dem Versteigerungstermin fertiggestellt worden. Es hätte schon im finanziellen Interesse der Schuldnerin gelegen, Einwendungen gegen die Durchführung der Zwangsversteigerung früher vorzubringen, da die Kosten eines möglicherweise vergeblich durchgeführten Versteigerungstermins letztlich als Kosten der Zwangsvollstreckung von ihr zu tragen sind. Dass die Schuldnerin trotzdem ihre Anträge am 19.3.2014 erneut erst am Terminstag überreichte und diese mit Ablehnungsgesuchen verband, die jeweils auf Umstände gestützt waren, die vor der Verhandlung entstanden waren und deshalb auch schon vorab hätten geltend gemacht werden können, zeigt in einer Gesamtschau, dass die Schuldnerin offensichtlich ihre Anträge mit der Absicht der Verfahrensverzögerung durch ein „Platzen“ des Versteigerungstermins gestellt hat.
Der Umstand, dass die abgelehnte Rechtspflegerin selbst über das gegen sie gerichtete Ablehnungsgesuch entschieden hat, verhilft der Beschwerde auch nicht zum Erfolg. Zwar entscheidet grundsätzlich nach § 45 Abs. 1 ZPO das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung über das Ablehnungsgesuch. Über unzulässige Ablehnungsgesuche entscheidet jedoch ein abgelehnter Richter jedenfalls dann selbst, wenn diese nur der Verschleppung dienen und damit rechtsmissbräuchlich sind (BVerfG, Kammerbeschluss v. 20.07.2007 – 1 BvR 2228/06, NJW 2007, 3771; BGH, Beschluss v. 14.11.1991 – I ZB 15/91, NJW 1992. 984; Beschluss v. 14.4.2005 – V ZB 7/05, NJW-RR 2005, 1226; OLG Naumburg, Beschluss v. 14.2.2006 – 10 W 2/06. OLGR Naumburg 2006, 157; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 42 ZPO Rn. 12; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 45 ZPO Rn 4). Die gleiche Befugnis steht auch einem Rechtspfleger zu (BVerfG, Kammerbeschluss v. 14.11.2007 – 2 BvR 1849/07, NJW-RR 2008, 512; BGH, Beschluss v. 14.4.2005 – V ZB 7/05, NJW-RR 2005, 1226; Beschluss v. 21.6.2007, NJW-RR 2008, 216). Als rechtsmissbräuchlich in diesem Sinn hat der Bundesgerichtshof etwa in einem vergleichbaren Fall ein Ablehnungsgesuch gegen einen Rechtspfleger im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens angesehen, welches darauf gestützt war, dass der Rechtspfleger über einen Einstellungsantrag des Schuldners erst zusammen mit der Entscheidung über den Zuschlag entscheiden wollte (BGH, Beschluss v. 14.4.2005 – V ZB 7/05, NJW-RR 2005, 1226).