Abwesender Schuldner: Anordnung ohne Abwesenheitspfleger

Die Anordnung des Verfahrens darf nicht von einer von den Gläubigern zu beantragenden Bestellung eines Abwesenheitspflegers für den Schuldner (§ 1911 BGB) abhängig gemacht werden.

LG Koblenz, Beschluss vom 22.12.2016, 2 T 941/16

Aus den Gründen:

Die gemäß § 95 ZVG statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Gläubiger hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg.

Da nach § 8 ZVG die Vorschriften der §§ 4 bis 7 ZVG (Zustellung durch Aufgabe zur Post und Bestellung eines Zustellungsvertreters, seine Aufgaben und Vergütung) auf die an den Schuldner zu bewirkende Zustellung des Beschlusses, durch welchen die Zwangsvollstreckung angeordnet oder der Beitritt eines Gläubigers zugelassen wird, keine Anwendung findet, können Anordnungs- und Beitrittsbeschluss – hier der beantragte Anordnungsbeschluss – beim unbekanntem Aufenthalt des Schuldners an ihn nur nach den Bestimmungen der §§ 185 bis 188 ZPO öffentlich zugestellt werden (Stöber, ZVG, 21. Auflage, § 8 Ziff. 2.3; Drischler, Rechtspfleger 1953, 497, 498 linke Spalte Ziffer 1.; Pöschl, NJW 1954, 136, 137 linke Spalte Ziffer 2.). Dies geschieht gemäß § 3 Nr. 1i RPflG nach Bewilligung durch den Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht.

Das Amtsgericht hat die Anordnung des beantragten Zwangsversteigerungsverfahrens zu Unrecht von der von den Gläubigern zu beantragenden Bestellung eines Abwesenheitspflegers abhängig gemacht, der die Rechte des unbekannt verzogenen Schuldners wahren soll. Hierauf müssen sich die Gläubiger nicht verweisen lassen. Die Voraussetzungen des § 1911 BGB (Abwesenheitspflegschaft) sind hier nicht erfüllt. Dieser lautet:

(1) 1 Ein abwesender Volljähriger, dessen Aufenthalt unbekannt ist, erhält für seine Vermögensangelegenheiten, soweit sie der Fürsorge bedürfen, einen Abwesenheitspfleger. 2 Ein solcher Pfleger ist ihm insbesondere auch dann zu bestellen, wenn er durch Erteilung eines Auftrags oder einer Vollmacht Fürsorge getroffen hat, aber Umstände eingetreten sind, die zum Widerruf des Auftrags oder der Vollmacht Anlass geben.

(2) Das Gleiche gilt von einem Abwesenden, dessen Aufenthalt bekannt, der aber an der Rückkehr und der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten verhindert ist. 

Die Abwesenheitspflegschaft setzt somit ein Fürsorgebedürfnis aus der Sicht des Abwesenden voraus. D. h. die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft muss zumindest auch in seinem Interesse liegen (ständige Rspr. z. B. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 01.07.1985, 3 W 130/85; OLG Köln, Beschluss vom 18.10.1995, 16 Wx 178/95; LG Potsdam, Beschluss vom 23.10.2008, 5 T 473/08). Die Bestellung eines Abwesenheitspflegers für den unbekannt verzogenen Schuldner zum Zwecke der Zustellung des Anordnunqsbeschlusses an diesen, liegt ausschließlich im Interesse der Gläubiger. Der Schuldner hat daran kein Interesse, weil durch eine an ihn zu bewirkenden Zustellung das Verfahren der Zwangsversteigerung in sein Immobiliarvermögen in Gang gesetzt wird mit, um den Verlust desselben herbeizuführen.

Der vom Amtsgericht zitierte Beschluss des LG Braunschweig vom 16.04.2012, 4 T 768/11, verfängt in der hiesigen Sache nicht. Er befasst sich mit einer Zuschlagsversagung die deshalb erfolgte, weil das Vollstreckungsgericht keine eigenen Versuche unternommen hatte, den Aufenthaltsort des dortigen Schuldners zu ermitteln und den hohen Anforderungen an die Bestellung eines Zustellungsvertreters nach § 6 ZVG nicht entsprochen hatte, die unbekannt verzogene Schuldnerin über ihre Mutter erreichbar gewesen wäre.

Soweit das Amtsgericht auf den Fristenlauf nach Zustellung des Anordnungsbeschlusses und die Möglichkeit der einstweiligen Einstellung des Verfahrens nach § 30b Abs. 1 ZVG verweist, sind diese bloße Folge der Zustellung und rechtfertigen die Bestellung eines Abwesenheitspflegers nicht.

Damit ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Prüfung und Entscheidung über die Anordnung der Zwangsversteigerung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer an das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – zurückzugeben, § 572 Abs. 3 ZPO.

Siehe auch: Abwesender Schuldner: Keine Abwesenheitspflegschaft für Zustellung der Fortsetzung und der Terminierung