BGH zur notariellen Belehrungspflicht über einen Zwangsversteigerungsvermerk


1. Zum Umfang und Schutzzweck der notariellen Belehrungspflicht bei Beurkundung eines Bauträgervertrags, wenn zum Zeitpunkt der Niederschrift ein Zwangsversteigerungsvermerk zu Lasten des Verkäufers/Bauträgers im Grundbuch eingetragen ist.

2. Die Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks kann eine „Indizwirkung“ für eine wirtschaftliche Schieflage des Bauträgers haben, auf die der Notar bei entsprechender Kenntnis besonders nachdrücklich hinzuweisen hat.

BGH, Urteil vom 22. 7. 2010 – III ZR 293/09 (NJW 2010, 3243)

Aus den Gründen:

Da der Notar nicht ohne Weiteres davon ausgehen kann, dass dem (privaten) Käufer eines Hauses oder einer Eigentumswohnung die wirtschaftliche Dimension der Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks bewusst ist, ist der Notar regelmäßig gehalten, ihn vor Abschluss finanziell riskanter Verträge auf die „faktische Warnfunktion” eines Zwangsversteigerungsvermerks hinzuweisen. Auf diese Weise wird der Kaufinteressent in die Lage versetzt, die für ihn bestehenden wirtschaftlichen Risiken (besser) abzuschätzen und gegebenenfalls weitere Erkundigungen anzustellen.

Nicht zu folgen ist auch der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung des Bekl., einem Hinweis auf den Vermerk und dessen wirtschaftliche Bedeutung habe die sich aus § BNOTO § 14 BNOTO § 14 Absatz I 2 BNotO ergebende Neutralitätspflicht des Notars entgegengestanden. Zwar hat sich ein Notar grundsätzlich nicht mit Bedenken gegen eine bestimmte Person als Vertragspartner zu befassen; auch muss er auf Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit eines Beteiligten, die sich aus dem Notar konkret bekannten Umständen, etwa einer Vorstrafe, ergeben könnten, nur in Ausnahmefällen aufmerksam machen, weil er anderenfalls mit solchen Hinweisen in einen Interessenkonflikt geraten würde (vgl. z.B. BGH, NJW 1967, NJW Jahr 1967 Seite 931 [NJW Jahr 1967 Seite 932]). Indes war im Streitfall der Bekl. nicht gehalten, die Kl. über die Einzelheiten der bestehenden Streitigkeiten zwischen der T-AG und der O-GmbH sowie die Ursachen der bereits mehrfach eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerke und die offenbar latent vorhandenen wirtschaftlichen Engpässe der GmbH zu informieren. Vielmehr wäre es ausreichend, aber auch erforderlich gewesen, nachdrücklich auf den Zwangsversteigerungsvermerk und die sich daraus ergebenden Indizien für etwaige bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten sowie mögliche Auswirkungen für die geplante Verwirklichung des Bauvorhabens hinzuweisen. Schutzwürdige Belange des Bauträgers wären dadurch nicht berührt worden, zumal ohnehin kein berechtigtes Interesse daran bestehen konnte, den Zwangsversteigerungsvermerk unerwähnt zu lassen (vgl. BGH, NJW-RR 1992, NJW-RR Jahr 1992 Seite 393 [NJW-RR Jahr 1992 Seite 394]; Ganter, in: Ganter/Hertel/Wöstmann, Rdnr. 1078).

5. Weil vorliegend die notarielle Amtspflicht, über den noch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und seine Bedeutung zu belehren, auch dazu diente, den Kl. als Käufer einer noch herzustellenden Eigentumswohnung die Gelegenheit zu geben, die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Vertragspartners und damit der Durchführbarkeit des Vertrags näher zu prüfen, stellt die festgestellte Verletzung dieser Verpflichtung die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch aus § BNOTO § 19 BNOTO § 19 Absatz I BNotO dar.