Vollstreckungsauftrag mit qualifizierter Signatur genügt

Ein durch eine Vollstreckungsbehörde in elektronischer Form eingereichter und qualifiziert signierter Vollstreckungsauftrag ersetzt den Vollstreckungstitel. Die zusätzliche Übersendung des Vollstreckungsauftrags und des Antrags auf Erlass eines Haftbefehls in unterzeichneter und mit Dienstsiegel versehender Papierform ist nicht notwendig. Ob auch ein einfach signierter Vollstreckungsauftrag genügen würde, kann dahinstehen.

Landgericht Hamburg, Beschluss vom 09.01.2023, 332 T 76/22

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin – eine Vollstreckungsbehörde – übermittelte am 27.06.2022 auf elektronischem Wege einen qualifiziert signierten Vollstreckungsauftrag vom 24.06.2022 mit dem eingeschlossenen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle des Amtsgerichts. Einen Vollstreckungsauftrag in Papierform übersandte die Beschwerdeführerin nicht. Das Amtsgericht wies den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls mit Beschluss vom 03.12.2022 zurück.

 

Aus den Gründen:

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Die Einreichung eines qualifiziert signierten Vollstreckungsauftrags in elektronischer Form ersetzt im vorliegenden Fall den Vollstreckungstitel. Die zusätzliche Übersendung des Vollstreckungsauftrags und des Antrags auf Erlass eines Haftbefehls in unterzeichneter und mit Dienstsiegel versehener Papierform ist nicht notwendig.

Eine Voraussetzung für den Erlass eines Erzwingungshaftbefehls nach § 802c ZPO ist das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, mithin u.a. das Vorliegen einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Vollstreckungstitels. Beantragt eine Vollstreckungsbehörde den Erlass eines Erzwingungshaftbefehls, ersetzt der Vollstreckungsauftrag grundsätzlich den Vollstreckungstitel. Als Ausgleich für den fehlenden Titel muss sichergestellt sein, dass der Vollstreckungsauftrag auch wirklich von der Vollstreckungsbehörde stammt (BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 39. Edition, Stand: 01.10.2022, § 7 JBeitrG, Rn 9). Es wurde von der Rechtsprechung bisher ein unterschriebener und mit einem Dienstsiegel versehener Vollstreckungsantrag gefordert. § 6 Abs. 3 Satz 3 JBeitrG, wonach es keiner Unterschrift bei automatisiert erteilten Aufträgen bedarf, findet keine (anlaloge) Anwendung (BGH, Beschluss vom 18.12.2014, Az.: I ZB 27/14).

Mit Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zum 01.01.2022 wurde auch § 130d ZPO eingeführt. Dieser bestimmt, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronische Dokumente zu übermitteln sind. Sollte dies aus technischen Gründen nicht möglich sein, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, die Unmöglichkeit ist jedoch spätestens unverzüglich danach glaubhaft zu machen und ein elektronisches Dokument ist auf Anforderung nachzureichen. Mit dieser Regelung wird die elektronische Einreichung von Anträgen der Normalfall und eine Übermittlung auf herkömmlichen Wege nur noch bei technischer Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung gestattet. Für die Einreichung schriftlicher Dokumente durch die Vollstreckungsbehörde gilt gemäß § 753 Abs. 5 ZPO – welcher die Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher und deren Beauftragung zum Gegenstand hat – § 130d ZPO entsprechend. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 ist § 753 Abs 5 ZPO für die Vollstreckung nach Maßgabe der Abs. 2 und 4 des § 6 JBeitrG sinngemäß anzuwenden. Die Gläubigerin hatte als Vollstreckungsbehörde ihren titelersetzenden Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher somit obligatorisch nach § 130d ZPO elektronisch zu übermitteln. Auch der Vollstreckungsauftrag gern. § 6 Abs. 3 S. 2 ist seitdem elektronisch zu übermitteln (BeckOK Kostenrecht, Dömdorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 39. Edition, Stand: 01.10.2022, § 6 JBeitrG, Rn 9a). Dies gilt auch für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO. Der Haftantrag ist ein Vollstreckungsantrag nach §§ 753 Abs. 1 und 2 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2014, Az.: I ZB 27/14). Soweit der BGH mit Beschluss vom 18.12.2014 (Az.: I ZB 27/14) entschieden hat, dass Vollstreckungsaufträge der Gerichtskasse schriftlich erteilt werden und eine Unterschrift und ein Dienstsiegel tragen müssen, ist diese Rechtsprechung durch Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zum 01.01.2022 nach Auffassung der Kammer überholt. Um die erforderliche Schriftform zu wahren, genügt nun jedenfalls eine qualifizierte elektronischen Signatur und eine anschließende elektronisch Übermittlung. § 753 Abs. 4 ZPO ermöglicht die Einreichung elektronischer Dokumente beim Gerichtsvollzieher, wenn für das Dokument Schriftform vorgesehen ist. Nach § 130a Abs. 3 ZPO, welcher über § 753 Abs. 4 Anwendung findet, regelt, dass das Dokument entweder qualifiziert elektronisch signiert und anschließend elektronisch übermittelt werden muss oder man auf die qualifizierte Signatur verzichten kann, dass aber eine einfache elektronische Signatur der verantwortlichen Person vorliegen müsse und der elektronische Übertragungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO sicher sein müsse. In Übertragung der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Erforderlichkeit von Unterschrift und Dienstsiegel) bedarf es vorliegend wohl einer qualifizierten Signatur, da diese im hier konkret zu entscheidenden Fall vorliegt, kann eine Entscheidung dazu, ob auch eine einfache Signatur ausreichen würde, dahinstehen.

Eine zusätzliche Übersendung in Papierform ist nicht mehr erforderlich. Es wird auf die zutreffenden Ausführungen des LG Essen in seinem Beschluss vom 09.11.2022 (Az.: 7 T 342/22), welchen sich die Kammer vollumfänglich anschließt verwiesen:

„Soweit teilweise die gleichzeitige papierschriftliche Einreichung des Vollstreckungsauftrages neben der elektronischen Einreichung, wie er bisher eingereicht wurde, eingefordert wird, ist dies nach Auffassung des Beschwerdegerichts nicht mehr geboten. Vielmehr ist eine entsprechende Vorgehensweise nach der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs mit aktiver Nutzungspflicht überholt. Nach dem hiesigen Verständnis der gesetzlichen Kodifikation soll eine Abkehr von der Papierakte erfolgen, welche bei der vorgenannten Einreichungsmöglichkeit bzw. -pflicht stets weiterhin erforderlich bliebe. Auch würde die ausdrücklich normierte aktive Nutzungspflicht ausgehebelt. Eine entsprechende Einreichungsmöglichkeit bleibt für diejenigen Titel vorbehalten, die ausschließlich in dieser Form existieren bzw. für den Fall technischer Unmöglichkeit einer Einreichung über die gebotene elektronische Vorgehensweise“.

Soweit der BGH mit Beschluss vom 23.09.2021 (Az.: I ZB 9/21) entschieden hat, die Regelung in § 754a ZPO zum elektronischen Vollstreckungsauftrag erfasse ausschließlich an den Gerichtsvollzieher gerichtete Vollstreckungsaufträge und nicht auch einen an das Vollstreckungsgericht gerichteten Antrag auf Erlass eines Erzwingungshaftbefehls, ist dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In der vom BGH entschiedenen Konstellation hat ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid betrieben, auf welche § 754a ZPO explizit Anwendung findet. Soweit aus einem anderen Titel vollstreckt werden soll, findet die Vorschrift keine Anwendung (vgl. BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 47. Edition, Stand: 01.07.2022, § 754a ZPO, Rn 3). Im vorliegenden Fall vollstreckt eine Vollstreckungsbehörde mittels eines den Vollstreckungstitel ersetzenden Vollstreckungsauftrags.