BGH: Beweiskraft des gerichtlichen Eingangsstempels

ZPO § 418 Abs. 1, 2

a) Der auf einem Schriftsatz aufgebrachte Eingangsstempel des Gerichts erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO Beweis dafür, dass ein in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfener Schriftsatz erst an dem im Stempel angegebenen Tag beim Berufungsgericht eingegangen ist. Hiergegen ist jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis zulässig, der die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang des Schriftsatzes erfordert (im Anschluss an BGH, Urteil vom 30. März 2000 – IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872 unter II 1 a; Beschlüsse vom 5. Juli 2000 – XII ZB 110/00, NJW-RR 2001, 280; vom 21. Februar 2007 – XII ZB 37/06, juris Rn. 8; vom 8. Oktober 2013 – VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 10).

b) Dabei dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an die Erbringung dieses Gegenbeweises nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie in das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen (im Anschluss an BGH, Urteile vom 30. März 2000 – IX ZR 251/99, aaO unter II 1 b; vom 14. Oktober 2004 – VII ZR 33/04, NJW-RR 2005, 75 unter II 2; Beschlüsse vom 3. Juli 2008 – IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn. 11; vom 8. Oktober 2013 – VIII ZB 13/13, aaO Rn. 14; jeweils mwN).

c) Bei einer detaillierten Schilderung der Partei über die genauen Umstände des Einwurfs des Schriftstücks darf sich das Gericht nicht mit einer pauschal gehaltenen dienstlichen Stellungnahme des/der zuständigen Mitarbeiters/in der Poststelle begnügen, die sich in der Aussage erschöpft, es seien weder Störungen festgestellt noch Fehler gemacht worden.

BGH, Urteil vom 31.05.2017 – VIII ZR 224/16

NJW 2017, 2285 (mit Anm. Schäfer)