Allgemeines zu den Rechtsmittelbelehrungen ab 01.01.2014

1. Allgemeines

1.1 Gesetzliche Grundlage:

Am 01.01.2014 ist das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess (BGBl. I 2012, S. 2418) in Kraft getreten (zu den Änderungen des Rechtspflegerrechts siehe Rellermeyer, Rpfleger 2013, 61). Ab diesem Zeitpunkt hat jede anfechtbare gerichtliche Entscheidung in Zivilsachen eine Belehrung über das statthafte Rechtsmittel, den Einspruch, den Widerspruch oder die Erinnerung sowie über das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist, über den Sitz des Gerichts und über die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten, § 232 ZPO. Das Gesetz findet auch auch auf die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltung Anwendung, da das ZVG als Teil der ZPO zu betrachten ist, § 869 ZPO. Auslöser für das gesetzgeberische Handeln war eine Entscheidung des BGH, Az. V ZB 174/08 vom 26.03.2009, in der der BGH in einem Zwangsversteigerungsverfahren aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Rechtsmittelbelehrung für erforderlich gehalten hat (siehe Interview mit Prof. Dr. Prütting in der LTO vom 06.12.2012).

 

1.2 Abgrenzung Entscheidung / Vollstreckungsmaßnahme:

Im Zwangsvollstreckungsverfahren besteht eine Belehrungspflicht nur bei Entscheidungen im Sinne von § 793 ZPO wie z.B. die Zuschlagsbeschwerde (§ 95 ZVG), jedoch nicht bei Vollstreckungsmaßnahmen nach § 766. Die überwiegende Ansicht nimmt die Abgrenzung wie folgt vor: Entscheidend ist, ob sich das Gericht mit dem argumentativen Vorbringen des Gläubigers und ggf. des Schuldners auseinandergesetzt hat. Sofern also dem Vollstreckungsantrag des Gläubigers nicht oder nicht im vollen Umfang stattgegeben wird, handelt es sich um eine für den Gläubiger mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Entscheidung im Sinne von § 793 ZPO. Beschlüsse ohne vorherige Anhörung sind in der Regel als Vollstreckungsmaßnahmen zu qualifizieren und daher mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO anfechtbar. Siehe Zöller/Greger, 30. A., Rdnr.2 zu § 232 ZPO, BeckOK-Preuß, ZPO, Rdnr. 13 zu § 766.

Es bleibt gleichwohl abzuwarten, ob die Rechtsprechung zukünftig auch bei Vollstreckungsmaßnahmen eine zwingende Belehrung fordern wird. Denkbar wäre dies unter Hinweis auf den Grundsatz des fairen Verfahrens. Im Falle der Erinnerung nach § 766 ZPO scheint das „Damoklesschwert“ der Wiedereinsetzung bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung allerdings recht stumpf zu sein, da die Erinnerung ohnehin unbefristet möglich ist.

Zur Abgrenzung selbständig/nichtselbstständig anfechtbare Entscheidung siehe Dassler/Schiffhauer, ZVG, 14. A., Rdnrn. 60-62 zu § 95.

In der Gesetzesbegründung, BTDrs 17/10490, Seite 13, heißt es:
 
Wo bloße Zwangsmaßnahmen ohne vorherige Anhörung stattfinden, ist von einer Vollstreckungsmaßnahme auszugehen, die keiner Belehrungspflicht unterliegt. Keiner Belehrungspflicht unterliegt somit in der Regel neben der Vollstreckungstätigkeit des Gerichtsvollziehers die dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorgeschaltete Klauselerteilung nach den §§ 724 ff. oder die ohne Anhörung des Schuldners getroffene Anordnung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung (§§ 15, 146 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung – ZVG).
 
Nicht belehrt werden muss im Vollstreckungsverfahren über die Rechtsbehelfe Dritter wie die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 und die Klage auf vorzugsweise Befriedigung gemäß § 805. Von den Rechtsbehelfen des Schuldners und des Gläubigers werden jene Rechtsbehelfe nicht erfasst, die nicht in der Aufzählung der Rechtsbehelfe genannt sind, wie zum Beispiel die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 sowie die Klauselklage und Klauselgegenklage gemäß den §§ 731, 768. Die Härtefallregelung des Vollstreckungsschutzes gemäß § 765a wurde wegen ihres Ausnahmecharakters ebenfalls nicht in die Belehrungspflicht einbezogen.
 
Im Anwendungsbereich des ZVG ist neben den zur Anwendung kommenden Rechtsbehelfen der Zivilprozessordnung über das Recht der Zuschlagsbeschwerde gemäß den §§ 95 ff. ZVG zu belehren.
 
 

1.3 Fristungebundene Rechtsbehelfe: Bei Rechtsbehelfen, die an keine Frist gebunden sind, ist darauf hinzuweisen (siehe BTDrs 17/10490, Seite 13).

 

1.4 Außerordentliche Rechtsbehelfe: Nicht erfasst werden von der Rechtsbehelfsbelehrungspflicht außerordentliche Rechtsbehelfe wie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233, die Anhörungsrüge gemäß § 321a, die Ergänzung bzw. Berichtigung der Entscheidung und die Tatbestandsberichtigung (§§ 319 bis 321).  Über die Möglichkeit der Stellung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO ist nicht zu belehren. Ebenso wenig ist über die Möglichkeit zur Verfassungsbeschwerde zu belehren (siehe BTDrs 17/10490, Seiten 13 und 14).

 

1.5 Nicht anfechtbare Entscheidungen: Es ist keine Belehrung erforderlich (siehe BTDrs 17/10490, Seite 13)

 

1.5 Heilung: Eine fehlende oder fehlerhafte Belehrung kann nicht durch die nachträgliche Zustellung der korrekten Belehrung geheilt werden. Sofern die korrekte Belehrung aber noch in der Rechtsmittelfrist zugestellt wird, dürfte in der Regel die Ursächlichkeit des Belehrungsmangels für eine Fristversäumnis nicht mehr vermutet werden. Eine amtswegige Ergänzung der Belehrung nach § 321 ZPO scheidet aus. Siehe BeckOK-Wendtland, ZPO, Rdnrn. 16 zu § 232 und 16 zu § 233.

 

1.5 Formulierungsmuster:

Formulierungsvorschläge für die Rechtsmittelbelehrungen

Fölsch, NJW 2013, 970 – Formulierungshilfen zur Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess

 

2. Form und Inhalt der Belehrung

2.1 Inhalt der Belehrung:

Die Belehrung muss den Adressaten von sich heraus in die Lage versetzen, ohne anwaltliche Hilfe den formrichtigen Rechtsbehelf einzulegen. Die Belehrung muss Angaben zu der einzuhaltenden Form und zum notwendigen Inhalt der Rechtsmittelschrift (zum Beispiel gemäß § 569 Absatz 2 und 3) enthalten. Bei fristgebundenen Rechtsmitteln ist über die einzuhaltenden Frist zu belehren, nähere Angaben zur Fristberechnung sind jedoch entbehrlich. Zu belehren ist auch über das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist, sowie über dessen Sitz. Hat der Rechtsmittelführer ein Wahlrecht zwischen mehreren Gerichten (vgl. § 569 Absatz 1 Satz 1), so sind beide Gerichte in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Die Angabe der Gerichtsadresse(n) ist nicht erforderlich, aber wohl zu empfehlen.

Näheres siehe Zöller/Greger, ZPO, Rdnr. 4 zu § 232 ZPO und die Gesetzesbegründung BTDrs 17/10490, Seite 13.

2.2 Form der Belehrung:

Bei schriftlichen Beschlüssen ist die Belehrung Bestandteil der Entscheidung und daher mit zu unterschreiben. Sie sollte oberhalb der Unterschrift stehen.

Ein bloßes Beifügen der Belehrung auf einem gesonderten Blatt dürfte nicht genügen. Gleiches dürfte für ein im Beschluss befindlichen Verweis auf eine anliegende Belehrung gelten, siehe hierzu (für das FamFG) auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 23.01.2012, 11 UF 212/11.

Bei nur mündlichen Beschlüssen genügt auch nur mündliche Belehrung. Ggf. ist hierzu ein Merkblatt zu verwenden. Die erfolgte Belehrung ist im Protokoll zu vermerken, § 160 II ZPO.

Näheres:

Zöller/Greger, 30. A. Rdnr. 5 zu § 232

rechtspflegerforum.de: Rechtsmittelbelehrung PfÜB

Gesetzesbegründung BTDrs 17/10490, Seite 13:

In § 232 wurde auf die ausdrückliche Anordnung einer Form der Belehrung verzichtet. Bei schriftlichen Beschlüssen fordert die Literatur zu § 39 FamFG eine schriftliche Belehrung und deren Einfügung in den Beschluss, also oberhalb der Unterschrift des Richters oder des Rechtspflegers (Zöller/ Feskorn, ZPO, 28. Auflage, § 39 FamFG Rn. 10; Ulrici in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Auflage, § 39 FamFG Rn. 9). Entsprechend wird im Geltungsbereichder Zivilprozessordnung bei Urteilen und schriftlich ergehenden Beschlüssen zu verfahren sein. Eine mündliche Belehrung bei Urteilsverkündung in Abwesenheit einer Partei gemäß § 312 genügt auf keinen Fall. Bei verkündeten Beschlüssen gemäß § 329, bei denen keine Schriftform vorgeschrieben ist, bietet sich entsprechend der Praxis im Strafprozess eine kurze mündliche Belehrung unter Aushändigung eines Merkblatts an. Eine übersetzte Fassung eines Merkblatts für der deutschen Sprache nicht mächtige Parteien ist nicht erforderlich. Die allein mündliche Belehrung muss hier ausreichen. Sie ist gemäß § 160 Absatz 2 zu protokollieren.



3. Linktipps:

Rechtsmittelbelehrung ab 01.01.2014 (rechtspflegerforum.de)
Übersicht über die Rechtsmittel und Rechtsbehelfe

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