Fotos dürfen nicht ohne Erlaubnis des Gutachters online gestellt werden

Ein Sachverständiger hatte im Auftrag eines Unfallgeschädigten ein Gutachten über den Schaden an einem Unfallfahrzeug angefertigt. Das Gutachten war für den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners bestimmt. Der Haftpflichtversicherer hatte im Gutachten enthaltene Lichtbilder ohne Einwilligung des Sachverständigen digitalisiert und in eine Restwertbörse im Internet eingestellt, um den vom Sachverständigen ermittelten Restwert zu überprüfen. Der Sachverständige sah hierin eine Urheberrechtsverletzung und klagte mit Erfolg vor dem BGH (Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 68/08, Quelle: Webseite RA Dr. Bahr).

Für Versteigerungsverfahren ist diese Entscheidung insofern interessant, dass wie im entschiedenen Fall auch in Versteigerungsverfahren vielfach keine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen dem Gutachter als Auftragnehmer und dem Gericht als Auftraggeber vorliegen wird. Daher hat der BGH den Nutzungsumfang nach dem Vertragszweck bestimmt (§ 31 Absatz 5 Satz 2 UrhG, Rdnr. 20 der Entscheidung):

Haben die Parteien beim Abschluss eines Vertrages – wie hier – nicht ausdrücklich geregelt, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, so bestimmt sich gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt worden ist. Nach dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Übertragungszweckgedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungsrechte ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.2004 – I ZR 174/01, GRUR 2004, 938 f. = WRP 2004, 1497 – Comic-Übersetzungen III).

Demnach gehörte das Einstellen des Gutachtens in eine Restwertbörse nicht mehr zum Vertragszweck des Gutachtens. Vertragszweck eines vom Gericht beauftragten Versteigerungsgutachtens dürfte in der Regel sein, dass das Gericht das Gutachten bei der Terminsveröffentlichung verwenden kann. Für Gläubiger, die gerichtliche Gutachten veröffentlichen, mag das wieder anders zu beurteilen sein. Im Falle des LG Hamburg, Urteil vom 15.05.2009, 308 O 580/08, wurde die Bank, die als Maklerin für eine Gläubigerin das Versteigerungsgutachten in einer Internetplattform eingestellt hatte, zu Schadesersatz verurteilt.

Aus den Gründen:

Der vom Amtsgericht Esslingen und dem Kläger gemeinsam zugrunde gelegte Vertragszweck ist die Nutzung des Gutachtens im Zwangsversteigerungsverfahren. Dabei dient das Gutachten dem Gericht zur Ermittlung des Verkehrswerts und den sich daraus ergebenden Festsetzungen wie etwa das geringste Gebot, die beteiligten Gläubiger und Schuldner haben ein Einsichtsrecht und einen Anspruch auf eine Kopie, und es dient darüber hinaus der Information potentieller Bieter, für die es gemäß § 42 ZVG einsehbar ist und denen es nach § 38 Abs. 2 ZVG „ in einem für das Gericht bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem öffentlich bekannt“ gemacht werden kann . Damit erschöpft sich der gemeinsam zugrunde gelegte Vertragszweck.

Ein Recht des Amtsgerichts, einem Dritten, hier der Gläubigerin, das Recht einzuräumen, das Gutachten oder geschützte Teile davon per E-Mail zu versenden – zu vervielfältigen – und auf einen Internetserver zu kopieren und öffentlich zugänglich zu machen, ist zur Erreichung dieses Vertragszwecks nicht erforderlich, wobei hier hinzu kommt, dass die Nutzerkette von der Gläubigerin D. Bank auf die Beklagte noch weiter geht. Ein derartiger Wille zu einer solchen weitgehenden Nutzungsrechtseinräumung mit dem Recht zur mehrfachen Weiterlizenzierung ist im Vertragsverhältnis der Auftraggeberin, dem Amtsgericht Esslingen, mit dem Kläger, nicht geboten unzweideutig zum Ausdruck gekommen, so dass der Kläger nicht veranlasst war, zur Wahrung seiner Rechte einen Vorbehalt zu erklären. Dass eine solche umfangreiche Nutzung beim Amtsgericht Esslingen angeblich dem Kläger bekannte Praxis ist, reicht dafür nicht aus. Für die Gläubigerin und die Beklagte mag die Nutzung des Gutachtens bzw. der Fotos im Internet sowie der E-Mail-Versand bei der Verwertung der Immobilie eine Erleichterung bei der Erzielung eines möglichst hohen Erlöses darstellen; zur Erreichung des Vertragszwecks zwischen dem Kläger und dem Amtsgericht Esslingen erforderlich ist diese Nutzung aber nicht.

Zum Themenkomplex Versteigerungsgutachten und Urheberrecht“ gibt es auch einige Themen im Unterforum Zwangsversteigerung des Rechtspflegerforums.