Beschlagnahme: Zustellung im vorläufigen Insolvenzverfahren trotz Postsperre an Schuldner

Damit die Wirkung einer im Wege der Zwangsverwaltung erfolgten Beschlagnahme gemäß § 80 II, 2 InsO von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt bleibt, muss der Anordnungsbeschluss dem Schuldner wirksam vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugestellt worden sein.

Ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter gemäß § 21 II Nr. 1 InsO bestellt worden, kann auch bei Anordnung einer Postsperre die Zustellung nur wirksam an den Schuldner persönlich erfolgen; denn die vorläufige Postsperre dient allein der Postkontrolle. Die Zustellung an den vorläufigen Insolvenzverwalter ist unwirksam. 

OLG Braunschweig, Urteil vom 11.1.2001, 2 U 120/00 

Fundstellen: Rpfleger 2001, 254; ZInsO 2001, 627-628 

„Der Kläger ist nicht wirksam zum Zwangsverwalter der streitbefangenen Eigentumswohnung bestellt worden. Vielmehr ist das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners über die Eigentumswohnung gem. § 80 I InsO durch den Eröffnungsbeschluss im Insolvenzverfahren vom 26.10.1999 auf den Beklagten übergegangen. 

Die Vorschrift des § 80 II Satz 2 InsO, wonach die Wirkungen einer bereits erfolgten Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt bleiben, greift nicht zugunsten des Klägers ein. Denn der die Anordnung der Zwangsverwaltung und Bestellung des Klägers zum Zwangsverwalter enthaltende Beschluss des AG ist nicht mehr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geworden. Dazu hätte es gem. § 146 i.V.m. §§ 8, 22 I ZVG der Zustellung des Beschlusses an den Schuldner selbst bedurft (vgl. Zeller/Stöber, ZVG, 16. Aufl., Rz. 2.4 zu § 22 und 2.2 zu § 151). Der Anordnungsbeschluss vom 24.9.1999 ist hier unstreitig am 7.10.1999 lediglich dem Beklagten selbst sowie unter der Anschrift „W… Landstraße …, G….“ einer Frau G… R. zugestellt worden; die Anschrift war unstreitig zu keinem Zeitpunkt diejenige der Schuldnerin, Frau R. lediglich Mitarbeiterin eines anderen unter dieser Anschrift ansässigen Unternehmens. 

Die Zustellung kann auch nicht gem. § 8 ZVG i.V.m. § 187 ZPO durch Zugang beim Beklagten als dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Rücksicht auf die vorläufige Postsperre als erfolgt angesehen werden. Denn § 187 ZPO setzt bereits nach seinem Wortlaut voraus, dass die Zustellung an den tatsächlichen Empfänger zumindest hätte gerichtet werden können. Nicht einmal die Anordnung einer Postsperre im eigentlichen Insolvenzverfahren hat aber zur Folge, dass die Zustellung von Schriftstücken außerhalb des Verfahrens an den Insolvenzverwalter bewirkt werden kann; vielmehr ist auch dann noch dem Schuldner selbst zuzustellen (vgl. Zeller/Stöber Rz. 3.5 zu § 3 m.w.N.) (Anmerkung: jetzt Stöber, 19. A., Rdnr. 3.6 zu § 3). Dafür spricht auch § 8 III InsO, wonach förmliche Zustellungen gerade dem Insolvenzverwalter selbst übertragen werden können. Dann aber wären sie außerhalb des Insolvenzverfahrens erst recht an den Schuldner selbst zu richten, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur ein vorläufiger Insolvenzverwalter gem. § 21 II Nr. 1 InsO bestellt worden ist. Denn hier dient die (vorläufige) Postsperre nur der bloßen Postkontrolle (vgl. Nerlich/Römermann/Becker, InsO, Rz. 71 f. zu § 21). Konnte aber am 7.10.1999 dem Beklagten als dem vorläufigen Insolvenzverwalter der Schuldnerin nicht wirksam zugestellt werden, so kann auch der Zugang des Anordnungsbeschlusses bei ihm eine Zustellung an den Schuldner selbst nicht ersetzen. Davon ist übrigens auch das Vollstreckungsgericht ausgegangen, indem es die Zustellung an den Geschäftsführer der Schuldnerin „trotz Postsperre“ veranlasst hat, die Zustellung ist so jedoch nicht ausgeführt worden. 

Die Wirksamkeit des Anordnungsbeschlusses ist vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht durch Eintragung der Zwangsverwaltung ins Grundbuch gem. § 146 i.V.m. § 22 I Satz 2 ZVG oder mit Inbesitznahme des Grundstücks durch den Zwangsverwalter gem. § 151 I ZVG eingetreten. Abgesehen davon, dass auch in diesen Fällen der Beschluss zumindest nachträglich hätte dem Schuldner selbst außerhalb der Postsperre zugestellt werden müssen (vgl. nur für die erste Möglichkeit etwa Zeller/Stöber Rz. 2.1 zu § 22), sind beide Ereignisse erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten. Die Anordnung der Zwangsverwaltung ist – wie in der Berufungsverhandlung unstreitig geworden ist – am 23.11.1999 ins Grundbuch eingetragen worden, die Inbesitznahme ist nach eigenem Vorbringen des Klägers erst am 3.1.2000 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bereits eröffnet.“

siehe auch Dassler/Schiffhauer-Rellermeyer, Rdnr. 12 zu § 3 ZVG